Neues Urteil: Händler zur Rücknahme verpflichtet

Wie in unserem Artikel vom 10.April2016 berichtet, haben deutsche Gerichte die ersten Urteile in Zusammenhang mit dem VW-Skandal (bzw. VW-Abgasskandal oder Dieselgate) gefällt. Bisher fiel die Rechtsprechung einheitlich zugunsten der Händler aus.

Vorgeschichte

Am 18. Februar 2015 richtete die US Umweltschutzbehörde (EPA) eine „Notice of Violation“ an die Volkswagen AG mit dem Vorwurf, gegen den Clear Air Act verstoßen zu haben. Im Detail wurde dem Konzern vorgeworfen, eine Software entwickelt und und zahlreichen Dieselfahrzeugen eingebaut zu haben, die in der Lage ist, Prüfungssituationen zu erkennen und in diesen Situationen die Abgasaufbereitung derart optimiert, dass möglichst wenig Stickoxide (NOx) entstehen. Während des normalen Fahrbetriebes werden Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt, so dass der NOx-Ausstoß höher ist.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe schaltete sich das US-Justizministerium ein, VW drohen Strafen in Miliardenhöhe. Mittlerweile sind eine Vielzahl von Schadensersatzklagen von privaten Käufern in den Vereinigten Staaten anhängig.

In Deutschland legte der VW-Konzern dem Kraftfahrtbundesamt einen Maßnahmenkatalog vor, der beinhaltete, dass der Konzern an allen in Deutschland betroffenen Fahrzeugen Nacherfüllungsmaßnahmen durchführen wird. Diese sollen für die betroffenen Kunden kostenfrei sein. In der Folge wurden die betroffenen Kunden angeschrieben und darauf hingewiesen, dass sie erneut benachrichtigt würden, wenn die Nacherfüllungsarbeiten für deren Fahrzeuge beginnen sollen.

Dennoch forderten eine Vielzahl von Kunden die Rückabwicklung von ihren Kaufverträgen. Da Sammelklagen in Deutschland nicht zulässig sind, schlossen sich eine Vielzahl von Kunden über eine niederländische Stiftung einer Sammelklage an.

Erste Urteile

Bisher wurden insgesamt acht Klagen von Verbrauchern auf Rückabwicklung ihrer Kaufverträge abgewiesen. Die Begründung der Klageabweisung fiel im Kern eineitlich aus: Die Gerichte (u.a. Landgericht Bochum und Landgericht Münster) stellten zwar klar, dass die betroffenen Fahrzeuge Mangelhaft seien, sie gingen jedoch davon aus, dass es sich um geringfügige Mängel handelt, so dass die Käufer auf deren Anspruch auf Nacherfüllung beschränkt seien.

Eine andere Ansicht vertrat nunmehr das Landgericht München I.

Urteil des Landgerichts München I

Das Landgericht München I gab der Klage eines Ehepaares aus München auf Rückabwicklung des Kaufvertrages statt. Das Ehepaar hatte im Jahr 2014 einen Seat Ibiza, 1,6 Liter Diesel-Motor, Typ EA189, von einem Vertragshändler erworben. Nach bekanntwerden des Abgasskandals forderte das Ehepaar den Händler zur Rücknahme auf, nachdem diese verweigert wurde, klagte das Ehepaar auf Rückabwicklung.

Das Landgericht München I gab der Klage statt. Es begründete die Entscheidung damit, dass der Händler mehr als ein halbes Jahr Zeit gehabt habe, den Mangel zu beheben. Da nach Verstreichen einer angemessenen Frist keine Nacherfüllung erfolgt sei, hätten die Käufer nunmehr einen Anspruch auf Rückabwicklung.

Die Volkswagen AG hat in Abstimmung mit dem betroffenen Händler angekündigt, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Fazit

Ob das Urteil des Landgerichts München I eine Wende im Abgasskandal darstellt, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Derzeit muss jeder Sachverhalt für sich betrachtet werden. Im vorliegenden Fall hatte das Ehepaar dem Gericht glaubhaft versichern können, das Fahrzeug insbesondere wegen dessen Umweltfreundlichkeit angeschafft zu haben. Dies hatte es dadurch unterstrichen, dass es das Fahrzeug, nachdem es von der Betrugssoftware erfahren hatte, nachweislich nicht mehr genutzt hatte.

Derzeit sind Medienberichten zufolge eine große Zahl an Klagen anhängig. Man kann nunmehr gespannt sein, ob sich die zukünftigen Urteile an dem Urteil des Landgerichts München I oder an den vorherigen Urteilen orientieren.

Eine Tendenz dürfte jedoch erst absehbar sein, sobald die ersten Berufungsinstanzen entschieden haben.