Bundesverfassungsgericht prüft Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
Ist die Erhebung des Solidaritätszuschlags in der heutigen Zeit noch rechtmäßig? Im Falle einer Umfrage würde wohl ein nicht unbeträchtlicher Teil der deutschen Steuerzahler diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten. Nun könnte leichte Hoffnung für die Gegner der Solidaritätszuschlags bestehen: Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ist von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (SolZG 1995), der rechtlichen Grundlage zur Erhebung des Solidaritätszuschlags, überzeugt.
Im vorliegenden Fall hatte hatte das beklagte Finanzamt gegen den mit dessen Ehefrau zusammen veranlagten angestellten Kläger mit Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag den Solidaritätszuschlag auf 941,43 Euro festgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Sprungklage vor dem Niedersächsischen Finanzgericht. Das beklagte Finanzamt stimmte der Sprungklage zu.
In dem Verfahren vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (Az. 7 K 143/08) streiten die Parteien über die Rechtmäßigkeit der Erhebung des Solidaritätszuschlags. Das Niedersächsische Finanzgericht setzte das Verfahren gemäß Art. 100 GG aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 verfassungsgemäß ist.
Nach Ansicht des angerufenen Gerichts verstößt § 3 SolZG 1995 gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da die Gruppen der gewerblichen und der nichtgewerblichen Einkünfte insbesondere unter Einbeziehung ausländischer und inländischer Einkünfte ungleich behandelt würden, da ausländische Einkünfte durch eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage von dem Solidaritätszuschlag teilweise entlastet würden. Eine solche Ungleichbehandlung sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt worden, da die Belastung aller Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit erfolgen solle. Das Bundesministerium der Finanzen habe eingeräumt, dass ausländische Einkünfte derzeit nur eingeschränkt in die Berechnung des Solidaritätszuschlags einbezogen werden.
Desweiteren könne nicht mehr begründet werden, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags nach dem SolZG 1995 eine zulässige Ergänzungsabgabe darstelle. Eine solche dürfe allein zur Deckung vorrübergehender Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt erhoben werden. Da von einer solchen Notwendigkeit nicht mehr ausgegangen werden könne, verstoße die Erhebung des Solidaritätszuschlags gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvL 6/14) ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.
Finanzgericht gewährt vorläufigen Rechtschutz
Das Finanzgericht ging sogar noch einen Schritt weiter und gewährte mit Beschluss vom 22.09.2015, Az. 7 V 89/14, vorläufigen Rechtsschutz, d.h. es setzte im Ergebnis die Vollziehung des Steuerbescheides aus.
Das angerufene Gericht begründete diese Entscheidung unter anderem damit, dass allein der Umstand, dass dem Fiskus durch die Aufhebung bzw. die Aussetzung von Bescheiden über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags erhebliche Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe drohen, lasse das Interesse des Klägers an einem effektiven Rechtsschutz nicht hinter dem Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung zurücktreten. Da Senat sah die Wahrnehmung und Erfüllung der öffentlichen Ausgaben nicht gefährdet, da der Staat in jüngster Zeit über ausreichende Steuereinnahmen verfüge. Das Gericht vertritt die Ansicht, dass an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstliche Zweifel bestünden, so dass die Vollziehung auszusetzen sei.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfasungsmäßigkeit der Festsetzung des Solidaritätszuschlags kann nunmehr mit Spannung erwartet werden.