Bisher galt bei negativem Schufa-Eintrag oft: kein Kredit, keine Wohnung, kein Bankkonto und nach Privatinsolvenz somit auch kein Neuanfang.

Gängige Praxis ist, dass bei etlichen Vertragsschlüssen die Bonität möglicher Vertragspartner durch eine Anfrage bei Schufa und Co. überprüft wird. Ist diese Auskunft im Ergebnis zu negativ, kann selbst der Abschluss eines Mobilfunkvertrages oder die Abwicklung von Online-Bestellungen problematisch werden. Wen die Schufa negativ bewertet, der unterliegt im täglichen Geschäftsverkehr gravierenden Einschränkungen.

Das Geschäftsmodell der Auskunfteien könnte nun durch die anstehende Entscheidung des EuGH erstmals ins Wanken gebracht werden. In Zukunft könnte es sich umso mehr lohnen, einen Löschungsantrag zu stellen.

Mehrere deutsche Gerichte legten dem EuGH Fragen zur Auslegung der DSGVO im Zusammenhang mit Schufa und Co. vor.  Einige Betroffene hatten sich gegen einen negativen Schufa-Eintrag gewehrt. Denn dass aufgrund eines solchen Eintrages der Vertragsschluss verweigert wird, könnte im Ergebnis der DSGVO widersprechen.

Verfahren vor dem OLG Schleswig: Speicherung Restschuldbefreiung in der Schufa nach Privatinsolvenz

a. Ausgangslage

Vor dem OLG Schleswig wendete sich ein Betroffener gegen die Speicherung seiner Restschuldbefreiung bei der Schufa nach überstandener Privatinsolvenz. Die Schufa hatte ihre Information über die Restschuldbefreiung über das zentrale deutschlandweite Insolvenzportal erhoben und an ihren Vertragspartner weitergegeben. Die Speicherung der Infomation über die Restschuldbefreiung bei der Schufa sollte 3 Jahre betragen.

b. Bedenken Gericht

Im Juni und Juli 2021 haben das OLG Schleswig (Urteil v. 2.7.2021 – Az. 17 U 5/21) und auch das VG Wiesbaden (Urteil v. 7.6.2021 – Az. 6 K 307/20.WI) unabhängig voneinander entschieden, dass die Speicherungen nur noch 6 Monate lang erfolgen darf. Für die Gerichte lag es eindeutig „auf der Hand, dass das Ziel, einem Schuldner (…) einen Neustart zu ermöglichen, durch eine weitere Publizität der früheren Insolvenz erschwert wird.“

Zudem sei auch das berechtigte Interesse der Schufa-Kunden nicht gegeben.

Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden: Anspruch auf Löschung eines negativen Schufa-Scores

a. Ausgangslage

Das Urteil des VG Wiesbaden (Urteil v. 7.6.2021 – Az. 6 K 307/20.WI) beschäftigte sich zudem mit der Frage, ob ein automatisiertes Scoring gegen Art. 22 DSGVO verstößt. Die Klägerin hatte zunächst einen Antrag auf Auskunftserteilung sowie einen Löschantrag bei der Schufa gestellt. Nachdem die Auskunft nicht in ausreichender Weise erteilt worden war, reichte sie Beschwerde beim hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) ein. Dieser war der Auffassung, dass die Schufa bei der Berechnung ihrer Bonitätswerte den Anforderungen des BDSG genüge. In der darauf folgenden Klage gegen den hessischen BfDI trat das VG dem in seinem Urteil mit erheblichen Zweifeln entgegen. Das Gericht entschied, die Frage der Rechtmäßigkeit des Scoring-Verfahrens vom EuGH überprüfen zu lassen.

b. Bedenken Gericht

Art. 22 DSGVO bestimmt das Verbot automatisierter Entscheidungen. Personen sollen keiner „ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung unterworfen“ werden, sofern durch die Entscheidung der Person gegenüber eine „rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt“ wird.

Die bisherige Argumentation der Auskunfteien, dass keine automatisierte Entscheidung vorliege und letztlich ja der Mitarbeiter vor Ort die Entscheidung über die Bonität eines Vertragspartners treffe, lässt das Gericht nicht gelten.  Faktisch geschehe die Entscheidung in der Realität primär aufgrund des automatisiert erstellten Scoring-Wertes.

Zudem werde so auch der DSGVO nicht ausreichend Rechnung getragen. Betroffene können beispielsweise ein Auskunftsersuchen auf Grundlage des Art. 15 DSGVO über die bei der Entscheidungsfindung involvierte Logik bei ihrer Bank stellen. Diese hat selbst aber keine Kenntnis über das Verfahren der Berechnung der Bonitätswerte bei den Auskunfteien. Sie werden nämlich als Betriebsgeheimnis geschützt. Eine Auskunftserteilung entsprechend dem Anspruch des Betroffenen nach Art. 15 DSGVO ist somit faktisch unmöglich.

Das Gericht hält zudem die Rechtmäßigkeit des § 31 BDSG für fraglich. Es stelle sich die Frage, ob nicht Art. 6 Abs. 1 und Art. 22 DSGVO dahingehend auszulegen seien, dass die Regelung der Entscheidungsfindung auf der Grundlage automatisierter Verarbeitung dem nationalen Gesetzgeber entzogen sei.

Ausblick zur Entwicklung des Geschäftsmodells Schufa

Die Urteile des OLG Schleswig und des VG Wiesbaden sind nicht rechtskräftig. Die Schufa legte Rechtsmittel ein und die Verfahren liegen inzwischen dem BGH vor. In seiner jüngsten Sitzung am 14.02.23 ließ der Senat durchblicken, auf die Entscheidung des EuGH warten zu wollen. Denn der BGH muss Urteile des EuGH in nationale Rechtsprechung umsetzen.

Die noch abzuwartende Entscheidung des EuGH könnte also einen Richtungswechsel in der Rechtsprechung zum bisherigen Geschäftsmodell von Auskunfteien bedeuten.

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