Die meisten Autofahrer wissen, was gemeint ist, wenn jemand die Eselsbrücke „von O bis O“ verwendet. Von Oktober bis Ostern ist damit gemeint. In dieser Zeit, so die generelle Empfehlung, sollte man auf Winterreifen unterwegs sein. „Sollte man“ ist das Stichwort. Eine vorgeschriebene, zeitlich begrenzte Winterreifenpflicht existiert in Deutschland, anders als z.B. in Österreich, nicht.

 

Daraus ist aber keinesfalls zu schließen, dass das Fahren auf Sommerreifen in den Wintermonaten keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen kann.

 

Das deutsche Recht kennt sehr wohl eine Winterreifenpflicht. Diese ist aber nicht zeitlich begrenzt, sondern orientiert sich an den Witterungs- und Straßenverhältnissen. So heißt es in § 2 Abs. 3a StVO:

 

Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte darf ein Kraftfahrzeug nur mit Winterreifen gefahren werden.

 

Was auf den ersten Blick eindeutig klingt, kann schnell zu Auslegungsschwierigkeiten führen. Was ist, wenn ich bei trockenen Verhältnissen meine Fahrt antrete, es aber während der Fahrt zu schneien beginnt? Viele weitere Konstellationen sind denkbar.

 

Nicht nur, um die oft nicht eindeutig zu beantwortenden Auslegungsfragen zu umgehen, empfehlen wir Ihnen sich tatsächlich an das Sprichwort „von O bis O“ zu halten und in dieser Zeit nur auf Winterreifen unterwegs zu sein. Unabhängig von den Gefahren für Leib und Leben, die mit dem Fahren auf Sommerreifen auf glatten Straßen einhergehen, empfiehlt sich dies aus den folgenden Gründen:

 

  1. a) Bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 3a StVO drohen Bußgelder und Punkte in Flensburg.

Als Winterreifen in diesem Sinne gelten „Matsch & Schnee“-Reifen (M+S). Achten Sie unbedingt, dass die Reifen selbst mit M+S gekennzeichnet sind. Fehlen diese bei einer Autofahrt und herrschen die in § 2 Abs. 3a StVO genannten Verhältnisse, droht Ihnen ein Bußgeld in Höhe von 60€. Kommt es aufgrund dessen zu einer Verkehrsbehinderung oder –gefährdung droht ein Bußgeld in Höhe von 80€ bzw. 100€. Bei einem Unfall werden sogar 120€ fällig. Einen Punkt in Flensburg kassieren Sie in jedem Fall.

 

  1. b) Im Falle eines Unfalles drohen Regressansprüche Ihrer Versicherung.

Gelingt es der Versicherung Ihnen im Falle eines Unfalls grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen, fällt Ihr Versicherungsschutz zum Teil oder ganz aus. Grobe Fahrlässigkeit ist auf jeden Fall dann gegeben, wenn Sie bei einem Unfall bei schneebedeckten Straßen mit Sommerreifen unterwegs waren.

 

Aber was ist nun, wenn ich auf Sommerreifen unterwegs bin und sich die Witterungs- und Straßenverhältnisse plötzlich ändern? Hier ist jeder Einzelfall gesondert zu betrachte und zu beurteilen. Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Interessant dazu ist eine Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim vom 22.05.2015 (Az.: 3 C 308/14).

 

In dem Fall ist ein Autofahrer, als er um 05:00 Uhr morgens bei Glatteis auf Sommerreifen unterwegs war, in den Gegenverkehr geraten und mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert. Beide Fahrzeuge hatten Totalschaden. Die Versicherung wollte den Unfallverursacher nach Schadensregulierung in Höhe von 5.000,00€ in Regress nehmen. Das Gericht hat eine grobe Fahrlässigkeit verneint und die Klage mit folgender Begründung abgewiesen.

 

In den Tagen zuvor haben noch zweistellige (im Plusbereich) Temperaturen geherrscht. Es erging zwar am Vortag in den Medien eine Glatteiswarnung, diese wurde aber im Laufe des Tages wieder aufgehoben. Das Gericht hat auch festgestellt, dass auf anderen Straßen in der Umgebung zum Unfallzeitpunkt kein Glatteis herrschte. Es herrschten somit keine durchgehend winterlichen Verhältnisse. Eine grobe Fahrlässigkeit wollte das Gericht daher nicht erkennen.

 

„Durchgehend winterliche Verhältnisse“ können demnach zumindest als Orientierungspunkt herangezogen werden.