Mietmythos Zweitschlüssel und seine strafrechtlichen Folgen
In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Vermieter oder der Verwalter für vermietete Wohnungen oder Gewerbeeinheiten einen Zweitschlüssel vorhält. Geschieht das jedoch ohne ausdrückliches Einverständnis des Mieters, verstößt der Vermieter bzw. der Verwalter nicht nur gegen seine mietvertraglichen Pflichten; Vermieter und Verwalter droht sogar strafrechtliches Ungemach wie nachfolgendes Beispiel zeigt:
Weil sich ein Mieter seit mehreren Jahren der Ablesung der Verbrauchswerte von Heizung und Wasser entzieht, lässt der Verwalter den Ablesedienst mit dem Zweitschlüssel in die Wohnung, als der Mieter erneut nicht die Wohnungstüre öffnet. Mitten in der Ablesung steht der verdutzte, heimgekehrte Mieter in der Wohnung und stellt nicht nur den Verwalter zur Rede sondern auch Strafantrag gegen diesen.
Der Verwalter hat sich eines Hausfriedensbruches nach § 123 StGB strafbar gemacht. Durch die Vermietung einer Wohnung wird dem Mieter der Besitz an der Wohnung übertragen. Durch diesen Vorgang ist der Vermieter und damit auch der von ihm beauftragte Verwalter nicht mehr ohne weiteres berechtigt die Wohnung zu betreten. Das Zurückbehalten eines Zweitschlüssels ist nur erlaubt, wenn der Mieter darüber informiert und damit einverstanden ist. Selbst wenn der Mieter damit einverstanden ist, kann der Vermieter wie auch der Verwalter sein Besichtigungsrecht nicht ungefragt ausüben. Er muss seinen Betretenswunsch rechtzeitig beim Mieter ankündigen.
Ohne Ankündigung oder gar ohne Erlaubnis darf der Verwalter die Mieträume nur betreten, wenn ein sog. Rechtfertigungsgrund vorliegt, der im Beispielfall allerdings nicht gegeben war. Der Mieter entzieht sich zwar seit Jahren der Ablesung der Verbrauchswerte. Dieser Umstand rechtfertigt allerdings nicht das unbefugte Betreten der Wohnung durch den Verwalter. Das Betreten ohne Ankündigung ist nur in Ausnahmefällen, etwa zur Abwendung drohender Gefahren gestattet bzw. gerechtfertigt. Solcherlei läge etwa vor, wenn der Verwalter die Wohnung betritt, weil Wasser in die daruntergelegten Wohnung dringt und ein Wasserrohrbruch in der Wohnung des Mieters vermutet wird. In solchen Fällen bedarf es dann auch keiner Ankündigung gegenüber dem Mieter (d.h. einer schriftlichen) – der Mieter sollte allerdings telefonisch zu erreichen versucht werden; außerdem ist vor dem Öffnen der Wohnung durch Klingen und Klopfen ausfindig zu machen, ob sich der Mieter in der Wohnung aufhält -, weil Gefahr im Verzug ist. Von „Gefahr im Verzug“ spricht man, wenn ein Schaden eintreten würde, wenn man nicht sofort handelt. Das ist hier gegeben. Hier ist das Eigentum und die Substanz des Hauses zu schützen, was im Rahmen einer Interessenabwägung das Interesse des Mieters an der Unverletztlichkeit seiner Wohnung überstrahlt bzw. geht es auch um den Schutz von Eigentum des Mieters, weshalb auch mit einer (mutmaßlichen) Einwilligung des Mieters argumentiert werden kann.
In einem solchen Fall ist das Handeln des Verwalters gerechtfertigt und eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruch entfällt.
Das lässt jedoch nicht die mietvertragliche Pflichtverletzung entfallen, weil der Vermieter bzw. Verwalter einen Zweitschlüssel vorhält. Vor allem rechtfertigen Gefahren wie die vorbeschriebene nicht, dass der Vermieter bzw. Verwalter einen Zweitschlüssel ohne Wissen des Mieters behält. Würde der Mieter also im vorliegenden Fall des Wasserrohrbruchs davon erfahren, dass der Verwalter einen Zweitschlüssel zu seiner Wohnung hat, könnte er erfolgreich fordern, dass ihm dieser Zweitschlüssel herausgegeben wird.
Übrigens: Offene Fenster im Winter rechtfertigen den ungefragten Zutritt zur Wohnung heutzutage kaum noch, da die meisten wasserführenden Rohre unter Putz verlegt sind. Hier müsste schon die Gefahr hinzutreten, dass Niederschlag in die Wohnung einzudringen droht.
Insgesamt betrachtet bleibt das Thema Zweitschlüssel und Betreten der Wohnung des Mieters selbst in Fällen von sog. „Gefahr im Verzug“ überaus heikel.